Walter Kaufmanns Lektüre

 

Mitten in Misha G. Schoenebergs Indien-Reportage »Siddhartha Highway« kommt Goethe zu Wort: »Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.« Richtig – hier doppelt richtig! Was schildert Schoeneberg, Songschreiber, Sprachlehrer, Südostasienwissenschaftler, der 1500 Kilometer mit 220 Thai-Mönchen durch Indien und Nepal gelaufen und über seine körperlichen Strapazen hinaus zu mentaler Erleuchtung gelangt ist, nicht alles an krassen Gegensätzen: strahlende Paläste und Müllhalden, in denen die ärmsten der Armen wühlen, Kinder in Lumpen und greise Bettler, sanfte Jünglinge und grobe Büttel mit Schlagstöcken, ausgemergelte Rikschafahrer und grazile Frauen, gewalttätige Soldaten und gütige weise Männer. Und allerlei Getier: streunende Hunde, heilige Kühe. Dazu prächtige Landschaften jenseits stinkender Flüsse, in der Sonne glitzernde Tempel und Pagoden, Städte von atemberaubender Schönheit neben finsteren Metropolen wie Kalkutta. Genug! Es reicht zu bestätigen, dass Misha G. Schoeneberg ein Prosaist erster Güte ist, der zwischen harten Fakten und dem Zauber versunkener Tage Brücken zu schlagen versteht und sein »Siddhartha Highway« zu einem Werk schöner Literatur geformt hat, zu einer Reportage, die Maßstäbe setzt.

 

W. K.

 

Misha G. Schoeneberg: »Siddhartha Highway. Mit 220 Thai-Mönchen auf dem Buddha-Walk – 1500 Kilometer zu Fuß durch Indien und Nepal«, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 368 Seiten, 19,99 €